Aladdin der Herzen – So war’s bei Adam Green im Babylon

Ganze vier Jahre liegt die Veröffentlichung des letztes Solo-Albums „Minor Love“ des kauzig-verschrobenen Tausendsassas Adam Green schon zurück. Sein Akustikkonzert im Berliner Kino Babylon war gestern trotzdem bis auf den letzten Platz ausverkauft. Wir saßen in der ersten Reihe und berichten, wie’s war.

Im Berliner Babylon riecht es an diesem Abend zwar penetrant nach süßem Popcorn, Cineasten kommen heute dennoch nicht auf ihre Kosten. Das reguläre Programm des in den 20er Jahren erbauten Lichtspielhauses muss zugunsten des ersten Akustikkonzerts von Adam Greens Deutschlandtour weichen. Schon kurz nach Einlass ist die Hälfte der ca. 400 Plätze belegt. Unüblich für eine Kinovorstellung werden die vordersten Sitze zuerst annektiert, und das obwohl die allererste Reihe aus provisorisch hinzugestellten Plastikstühlen statt bequemen Samtsesseln besteht. Sei’s drum, als Adam Green samt Gitarrist Toby Goodshank unbeholfen die Bühne betritt und den Abend mit „Bluebird“ einleitet, ist kaum ein Platz mehr unbesetzt.

Der 31-Jährige ist sichtlich erschlankt, trägt eine gewagt-karnevaleske Kombination aus Cordhose, Rüschenhemd, Nietengürtel, Cowboyboots und Navy-blauer Matrosenmütze und scheint seit der Veröffentlichung seines selbstbetitelten Debüts im Jahr 2022 um keinen Tag gealtert.

Sein Sidekick (wie sich später herausstellen soll, ein ehemaliges Mitglied von Adam Greens legendärer erster Band Moldy Peaches) verzückt dank Leder-Fransen-Weste und grenzenlos kitschiger Elfen-Gitarre. Zwischen „Tropical Island“ und „Novotel“ wendet sich Green dann zum ersten Mal ans Publikum und erzählt seine ganz eigene Historie des heutigen Austragungsorts. Seiner Meinung nach war das Lichtspielhaus früher einmal ein Erotik-Kino. Mit der tatsächlichen Vergangenheit des Babylons ist diese Version zwar nicht ganz vereinbar, Green sorgt trotzdem für unzählige Lacher und animiert sein Publikum fortwährend (aber nie aufdringlich-plump) zum Mitklatschen.

In einer Mischung aus hyperaktivem Fünfjährigen und äußerst exzentrischem (und nicht minder bezauberndem) Ausdruckstänzer bewegt sich Adam Green über die Bühne, grinst verschmitzt und wirkt zwar nicht völlig nüchtern, aber zum Glück auch nicht so berauscht, dass es seiner Performance abträglich wäre. Zu „Cigarette Burns Forever“ lässt Adam zugunsten der Atmosphäre das Licht dimmen, zwischendurch greift er selbst zur Gitarre und erzählt enthusiastisch von seinem neuen Filmprojekt „Aladdin“ (einer modernen Version des arabischen Märchens mit Macaulay Culkin in der Hauptrolle), für das der New Yorker momentan via Kickstarter fleißig um Finanzspritzen bittet.

Echte Highlights: der eigentlich zusammen mit Binki Shapiro 2013 veröffentlichte Song „Here I Am“, ein auf Wunsch einer Zuschauerin vorgetragenes, kongeniales Cover des Libertines-Hits „What A Waster“ und der Track „I Forgot“ der Moldy Peaches, den Adam im Duett mit Toby Goodshank singt Keinen der im Schnitt nur knapp über zwei Minuten langen Hits seiner bisherigen sechs Solo-Alben lässt Adam Green unerwähnt, von „Friends of Mine“ über „Dance With Me“ und „Emily“ wird alles gespielt. Wiederholt fragt Green nach Songwünschen, ist bemüht, sogar der Bitte nach Outtakes (!) des ersten Albums nachzukommen und stürmt die ersten Reihen zum kollektiven High Five. Für zwei ausgiebige Zugaben kommt Adam Green (übrigens der Urenkel von Felice Brauer, der Verlobten von Frank Kafka) dann auch zurück auf die Bühne und verabschiedet sich kurz vor Mitternacht unter tosendem Applaus mit „Chubby Princess“ und dem Moldy Peaches-Track „Who’s Got the Crack?“.

Greens „Aladdin“-Projekt dürfte sich nach diesem extrem unterhaltsamen Abend kaum noch retten können. Zu wünschen wäre es dem wohl eigensinnigsten und cleversten Indie-Folk-Entertainer unserer Zeit allemal.