Hedonismus galore – So war’s bei Kakkmaddafakka im Astra

Kakkmaddafakka, die Band mit dem in Sachen Infantilität und Obszönität wohl unübertroffenen Bandnamen, bestritt vergangenen Samstag den letzten Stopp ihrer Deutschlandtour in Berlin. Die Ticketverkäufe blieben hinter den Erwartungen zurück – statt wie geplant in der wesentlich größeren Columbiahalle, fand das Konzert schließlich im Astra Kulturhaus statt. Warum der Abend trotz der kleineren Location ein grandioses Spektakel war, erfahrt ihr hier.

Ende Juni erschien in enger Zusammenarbeit mit The Whitest Boy Alive– und Kings of Convenience-Mastermind Erlend Øye das dritte Studioalbum „Six Months Is a Long Time” der Norwegischen Band, das nach eigener Aussagen in sechs schweißtreibenden Monaten größtenteils in Berlin entstanden ist. Die Platte gilt es nun ebenda live zu präsentieren, als kleiner Reminder des Entstehungsprozesses ertönt im Vorfeld Erlends neuste Single, „La Prima Estate“, aus den Boxen im Astra und verkürzt die Wartezeit bis zum Auftritt von Kakkmaddafakka. Aufregung macht sich zwischen den größtenteils minderjährigen Konzertbesuchern breit, gelten Kakkmaddafakka und ihr reichlich amüsanter Mix aus Gangsta-Disco und Indie-R’n’B doch als echtes Live-Highlight.

Und diesem Ruf machen die Skandinavier von Beginn an alle Ehre: Zu den dramatischen Tönen des Orchesterstücks „In der Halle des Bergkönigs“ aus der Peer Gynt Suite des Norwegers Edvard Griegs betritt ein bärtiger junger Mann die Bühne und schwingt bedächtig eine riesige Flagge mit der Aufschrift Kakkmaddafakka. Nach und nach betreten auch die anderen sieben Mitglieder die Bühne, jeder von ihnen erntet frenetischen Jubel und lässt sich gebührend feiern bis der Kult-Klassiker von Grieg in die Klänge des Kakkmaddafakka Songs „Touching“ übergeht.

Es folgt eine fast zweistündige, unglaublich unterhaltsame Tour de Force durch fast alle Titel des zweiten und dritten Albums der Band. Vielleicht gerade weil die Bandmitglieder angeblich nur Instrumente spielen, zu deren Erlernung ihre Eltern sie in ihrer Kindheit gezwungen haben, beherrschen alle ihre Instrumente perfekt und können ausnahmslos so gut singen, dass von einem wirklichen Frontmann bei Kakkmaddafakka nicht gesprochen werden kann. In den absurd-naiven Texten wiederum geht es vornehmlich um Mädchen – wie man sie kriegt („Make The First Move“), wie man mit ihnen umgeht („Female Dyslexic“), wenn man sie hat und wie man im Notfall die Überhand ihnen gegenüber bewahrt („Bill Clinton“). Diese Lyrics münden harmonisch in die unbeholfenen Ansagen und Flirtversuche seitens der Band, die im Publikum „beautiful, young and intelligent girls“ gesichtet haben will.

Heimliches Highlight: die Background-Tanz-Truppe Kakkmaddachoi der Zwillinge Bøbbz und Serge (neben Sänger und Gitarrist Axel und Cellist Pål Vindenes das zweite Brüderpaar auf der Bühne. Beide performen in vollendeter Synchronität eine herrlich selbstironische Choreographie, legen zwischendurch auch ein kurzes Ballett-meets-Ausdruckstanz-Intermezzo ein und ernten Beifall für eine Kampfansage gegen Putins Homophobie. „They’re not gay, but they’re curious“ macht Axel Vindenes die Verwirrung komplett.

Im Vorfeld des Dockville-Auftritts im August dieses Jahres musste Keyboarder Jonas Nielsen noch mit ernstzunehmenden Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert werden, diese scheinen inzwischen gänzlich überwunden zu sein: Jonas tanzt ekstatisch, vollführt akrobatische Stunts und entledigt sich als erster seines Oberteils. Zu diesem Zeitpunkt tragen die übrigen Mitglieder mit wenigen Ausnahmen übrigens noch ihre eigenen Bandshirts und geben sich herrlich eingebildet, lassen aber auch immer wieder durchblicken, wie sehr sie über sich selbst lachen können. Selbiges gilt für das Berliner Publikum, das jegliche Befangenheit am Astra-Eingang abgegeben zu haben scheint und begeistert bei lauten (wie unsinnigen) Mitsing-Chören und kollektiven Hinhock-Aktionen mitmacht.

Für das Ende hat sich die Bands ihre ganz großen Hits aufbewahrt: Auf „Somebody New“, der ersten Singleauskopplung des aktuellen Albums, folgt der bislang bekannteste Song der Band, „Restless“ sowie der Indie-Disco-Favorit „My Girl”. Als Zugabe gibt es eine Akustikversion von „Saviour“, vorgetragen von Bassist Stian Sævig. Es folgt als krönender Abschluss ein Medley aus „Circle of Life“ von König der Löwen, Michael Jacksons „The Way You Make Me Feel“ (inklusive Moonwalk) und „Drø Sø“ – inzwischen ist schon kaum einer der Bandmitglieder mehr angezogen.

Zu Tina Turners „Simply The Best” fallen sich die Bandmitglieder ein letztes Mal in die Arme und verbeugen sich vorm kreischenden Publikum. Ein Großteil der Musikkritiker wird Kakkmaddafakka aufgrund ihrer leicht pubertären Textzeilen auch nach diesem ausgezeichneten Konzert nicht für voll nehmen. Darauf haben Kakkmaddafakka in „No Song” die passende Antwort parat: „I don’t have to prove anything to you or your bitch boss or your magazine, or you fancy blog”. Word.