Hannah Reid, Dot Major und Dan Rothman alias London Grammar kommen, anders als es der Bandname vermuten lässt, gar nichts aus UKs Hauptstadt, sondern aus Nottingham. Dort entstand das Debüt des Dreiergespanns, „If You Wait“, voller Seelenschmerz und atmosphärischem Dream-Pop, das jetzt schon als heißer Anwärter des Mercury Prize gilt.
Was beginnt wie eine 90er Jahre Schnulze mit Meg Ryan in der Hauptrolle, ist in Wahrheit die Entstehungsgeschichte von London Grammar: Vor ein paar Jahren sah Gitarrist Dan Rothman ein Foto von Hannah Reid samt Gitarre bei Facebook. Er kontaktiere die hübsche Unbekannte via Facebook-Message und fragte, ob sie mit ihm zusammenarbeiten wolle. So kam zu einem ersten Treffen in der Eingangshalle der University of Nottingham. Statt aber in ewiger Zweisamkeit fortan romantische Folk-Musik zu machen, verschrieb sich das Duo erst Coversongs und wurde dann von Multiinstrumentalist Dot Major zum Trio komplettiert. Im Dezember 2012 entschied sich die inzwischen zu „London Grammar“ benannte Band schließlich dazu, ihren ersten Track „Hey Now“ (mehr oder weniger anonym) online zu stellen. Bislang wollten über 1,5 Millionen Menschen den Song hören, die EP „Metal & Dust“ ließ nicht lange auf sich warten. Die erste offizielle Single, das desolate und wunderschöne „Wasting My Young Years“, schaffte es im Juni dann prompt in die UK Single Charts.
Die Legitimation für die kollektive Begeisterung ist schnell erklärt: Hannah Reids faszinierend-eindringliche Stimme weckt augenblicklich Assoziationen zu Judie Tzuke und Florence Welch, schon auf „Seattle”, dem Debüt der Labelkollegen-Brüder von Disclosure, machte Hannahs Stimme den Track „Help Me Lose My Mind” zu einem der heimlichen Albumhighlights. Der dramatische Pathos-Pop, der die Vocals und intelligenten wie persönlichen Lyrics unterlegt, erinnert in seiner Reduziertheit und Schwermütigkeit vor allem im Fall von „Stay Awake“ wiederum an The xx in ihren guten Momenten, „Metal & Dust“ an das Ambient-Duo Zero7. Schnellere, mit etwas Fantasie schon fast als groovig-tanzbar zu bezeichnende Ausreißer wie „Flickers“ und „When We Were Young“ geben der Platte den nötigen Abwechslungsreichtum. Dass die drei Twentysomethings dann auch noch den „Drive“-Titeltrack „Nightcall“ von Großmeister Kavinsky covern, sollte dem Hype um sie sowie die Tatsache, dass das anstehende Berlin-Konzert bereits ausverkauft ist, hinreichend erklären.