Sadness, I’m your girl – So war’s bei Lykke Li im Astra

Abgesehen von einer Gast-Performance auf dem David Lynch-Track „I’m Waiting Here“ und ihrem Beitrag zum Film „Tommy“, ließ Schweden-Exportschlager Lykke Li seit ihrem 2011er-Werk „Wounded Rhymes“ nicht viel von sich hören. Das soll sich jedoch am 2. Mai mit dem Erscheinen ihres dritten Albums „I Never Learn“ ändern, vorab gab die Sängerin gestern in Berlin Kostproben ihrer neuen LP.

So erkennt man eine modische Vorreiterin: sie wendet sich vom selbst geschaffenen Trend genau in dem Moment ab, in dem ihn der gemeine Pöbel adaptiert hat. So geschehen bei Sängerin Lykke Li, die die Bühne des ausverkauften Berliner Astras nicht mehr mit der für sie charakteristischen Hochstreckfrisur betritt, sondern sich stattdessen für offene Mittelscheitel-Mähne im Sleek Look entschieden hat – und das Tragen des Lykke Li-Gedächtnisduttes an diesem Abend lieber der Keyboarderin und ihren weiblichen Fans überlässt. Wiedererkennungswert hat Li Lykke Timotej Svensson Zachrisson, wie die Sängerin mit bürgerlichem Namen heißt, aber auch ohne den Haarknoten: ihre elfengleiche Stimme erfüllt schon zu den ersten Takten des Titeltracks und Openers „I Never Learn“ ihres kommenden Albums den Raum, wie gewohnt wirkt die 28-Jährige auch heute Abend dank grazil-eleganter Handbewegungen à la Florence Welch wie ein ätherisches Wesen.

Nur Brüssel und die Hauptstadt von Lykke Lis Heimat Schweden kamen bislang in den Genuss neuer Songs, als dritte Stadt darf sich heute Berlin auf ungehörte Tracks freuen. Und die trägt Lykke Li nicht alleine vor, sondern samt fünfköpfiger Live-Verstärkung. Während draußen noch die letzten Sonnenstrahlen den Biergarten des Astras erhellen, wird es drinnen düster: in schwarz-glänzender Fledermausärmel-Kluft und dunkler Schlaghose performt die Protagonistin des Abends zwischen spooky Nebelschwaden und transparenten Tülltüchern – und lädt passend zum Setting zur kollektiven Trennungsschmerz-Verarbeitung.

Das „I Never Learn“-Artwork gibt den Ton an, hier inszeniert sich Miss Li als schwarze Witwe: Post Break Up-Qualen scheinen Lykke Li einzige und unerschöpfliche Inspirationsquelle zu sein. Schade nur dass die neuen Tracks dabei die Ironie und Bissigkeit von früheren Songzeilen vermissen lassen. Sang Lykke Li auf dem Debüt „Youth Novels“ noch verspielt-naiv „I think I’m a little bit in love with you“ und halten sich auf dem Nachfolger „Wounded Rhymes“ defensive Melancholie-Schmachtfetzen und tanzbare Power-Nummern die Waage, bettelt Lykke Li jetzt wahlweise „Come back to me“ („Just Like A Dream“) oder ist schon bei der kompletten Resignation aka „Never Gonna Love Again“ angekommen. Und lässt sich zu allem Überfluss noch zu arg abgegriffenen Klischee-Lyrics wie „Everytime the rain falls, think of me / On a lonely highway“ auf dem Gospel-orientierten „Heart Of Steel“ verleiten.

Zum Glück spielt Lykke Li an diesem Abend aber nicht nur neue Songs und so animiert die Schwedin bei der energetischen Darbietung von Hits wie „I Follow Rivers“, „Youth Knows No Pain“ und dem grandiosen „Get Some“ sogar zum Mitsingen – und tanzen, fragt zwischendurch nach Whisky und tauscht die dramatischen Gesten auch mal gegen Drum-Gekloppe oder gekonnte Tanzeinlagen. Den schwedischen Soundtrack-Beitrag „Du Är Den Ende“ und „Silent My Song“ gibt’s als Zugabe, bevor gegen 22 Uhr dann der Beatles-Song „Don’t Let Me Down“ aus den Boxen schallt und unmissverständlich klar gemacht wird, dass die Berliner sich nun Richtung Ausgang begeben dürfen.

Lykke Lis Performance hat wie gewohnt überzeugt, die dargebotenen Kostproben des neuen Albums hinterlassen allerdings einen faden Nachgeschmack. Man könnte sie als konsequente Ende der als Trilogie angelegten Albumveröffentlichungen sehen, man könnte sich aber auch insgeheim wünschen, Lykke Li würde zu ihrer alten „Kick some ass“-Attitude zurückfinden anstatt es sich in der pathetischen Opferrolle gemütlich zu machen.