So war’s bei We Are Scientists im Lido

Die wahnsinnigen Wissenschaftler aka We Are Scientists stellten gestern ihr aktuelles Album „TV En Français“ erstmals live in Berlin vor. Wir waren vor Ort und berichtet, wie’s war.

Keith Murray und Chris Cain alias We Are Scientists sind sowas wie die coolen Philosophie-Professoren an deiner Uni, in die du heimlich verknallt bist und für deren Anerkennung du auch schon mal Hausarbeiten über Heidegger und Schopenhauer schreibst, ohne nur ein einziges Wort zu begreifen. Oder anders ausgedrückt: sie sind das kultiviert-belesene und dazu noch humorvolle Musiker-Duo unter den unzivilisiert, dauerbetrunkenen Indie Rock-Bands dieser Welt. All das stellten sie am Montagabend im Berliner Lido in Kreuzberg Mal mehr, Mal weniger eindrucksvoll unter Beweis.

Ungewöhnlich pünktlich für Hauptstadt-Verhältnisse wird um 21 Uhr das Licht gedimmt und REO Speedwagons 80er-Hit „Keep on Loving You“ kündigt humorvoll das Erscheinen der We Are Scientists an, die sich an den Dresscode „Business Casual“ (der der letzten EP der New Yorker ihren Namen verlieh) gehalten hat: Legere Jeans, adrette Hemden plus stylishe Sneaker, fertig ist der Look des smarten Berufsjugendlichen. Mit „Return The Favor“ aus ihrem kürzlich erschienen Album „TV En Français“ leiten die Herren den Abend im Anschluss energiegeladen ein und legen mit den inzwischen längst zu Indie Disco-Evergreens mutierten Singles „After Hours“ und „Nobody Move, Nobody Get Hurt“ nach. „Because my body is your body. I won’t tell anybody. If you wanna use my body. Go for it, yeah” – die oft etwas fragwürdigen Lyrics ihrer Songs wissen Keith Murray und Chris Cain (live unterstützt diesmal nicht von Andy Burrows, sondern von einem neuen Drummer) dank smartem Lächeln, grau melierten Haaren und tiefen Schlucken aus einer Rotweinflasche zu überspielen. Und außerdem galt die Musik der Super-Geeks und Ex-Kommilitonen eh nie als übermäßig abstrakt oder innovativ, sondern ist viel mehr für ihre unverschämte Dinglichkeit und Tanzbarkeit bekannt.

Den Protagonisten des Abends hingegen eilt der Ruf voraus privat lustiger zu sein als Ellen DeGeneres und Will Ferrell zusammen und so fühlt man sich zwischen den Songs oft mehr als Teil eines Stand-up-Comedy-Abends denn als Konzertbesucher. Das Problem: die meisten Witze zünden nicht, die (für native speaker sicherlich äußerst lustigen) Pointen gehen zwischen New Yorker Akzent und zu viel Insidertum unter. So lamentiert Bassist Chris Cain beispielsweise darüber, wie viele der „exzentrischen Personen“ im Publikum heute an der Garderobe ihren Hut abgegeben haben – keine Reaktion der Fans, eher verhaltenes Schweigen und Unverständnis sind die Antwort, woraufhin Chris erzählt, er habe 25 Hüte gezählt und sie allesamt verbrannt – wie er selbst eingesteht, eine übertriebene Reaktion. Keith und er werfen sich die Sätze wie Bälle zu, erwarten Gelächter und ernten stattdessen ratlose Gesichter. Daher muss die von Keith freudig angekündigte „talk show“ schnell doch wieder einem konventionellen Gig weichen – und immerhin der weiß die Berliner Besucher zu überzeugen.

Ganze vierzehn Songs geben die Herren aus ihren Alben „Safety, Fun, and Learning (In That Order)“, „With Love and Squalor”, „Brain Thrust Mastery”, „Barbara“ und dem aktuellen Longplayer zum Besten, während effektvoll drapierte Glühbirnen für ein gelungenes Bühnen-Setting sorgen und statt pogenden, männlichen Halbstarken sich bedächtig wiegende Mädchen den Großteil des Publikums ausmachen. Selbige klatschen am Ende des Sets laut genug, um das Trio noch einmal für drei Zugaben-Songs auf die Bühne zu holen. Nach „The Great Escape“ flüchten die Berliner Fans passend zum Titel Richtung Merch-Stand, Bar und Garderobe. Vielleicht will einer von ihnen ja seinen Hut abholen.