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Streaming-Tipp: I’m No Longer Here – Netflix

Mit unseren Streaming-Tipps wollen wir Euch auf Filme aufmerksamen machen, die auf den gängigen Streaming Plattformen zu finden sind, dort aber kaum oder keine Aufmerksamkeit bekommen, weil sie in der riesigen Masse an Filmen untergehen oder gar nicht erst vom Algorithmus ausgespielt werden, obwohl sie mit zum Besten zählen was Netflix und Co. zu bieten haben. Den Anfang macht das Debüt des mexikanischen Regisseurs Fernando Frías de la Parra: I’m No Longer Here (Orginaltitel: Ya no estoy aquí)

Cumbia ist die Musik, die den Lebensmittelpunkt der kleinen Gang „Los Terkos“ in einem Randbezirk der mexikanischen Stadt Monterrey bildet. Los Terkos, das sind Ulises und seine Freund*innen. Sie tragen zu große, bunte Klamotten, drücken sich durch exzentrische Haarschnitte aus und wollen mit dem tatsächlichem Chaos und der Gewalt in der zerbröckelnden Stadt nichts zu tun haben. Sie sind eine anständige, harmlose Gang, die Tanzveranstaltungen für Cumbia organisiert und versuchten Kindern in dem heruntergekommenen Bezirk halt zu bieten.

Der Musikstil findet seinen Ursprung an der Karibik-Küste Kolumbiens, als Sklaven den afrikanischen Kreistanz Cumbé nach Kolumbien brachten und sich der Stil dort mit spanischen Elementen vermischte und schließlich zu Cumbia wurde. Von dort aus verbreitete sich die Musik über ganz Lateinamerika. Und aus genau dieser Musik entstand viele Jahre später eine Gegenkulturbewegung der Jugendlichen im Nordosten Mexikos namens Kolombia, welcher sich der Film widmet.

Jedoch wird Cumbia den Los Terkos, und besonders Ulises, schließlich zum Verhängnis. Um einen MP3-Player kaufen zu können, der voll mit der geliebten Musik sein sollen, entscheiden sie sich schließlich eine Ausnahme von ihren Prinzipien zu machen und Kindern Geld abzuziehen. Dabei legen sie sich ungewollt mit einer gewalttätigen Gang an, was für Ulises kurze Zeit später schwerwiegende Folgen hat und ihn schließlich zwingt in die USA zu flüchten, weil er in Monterrey nicht mehr sicher ist. Cumbia, der eine Ausweg den die Los Terkos hatten, hat sie schließlich auch in den gewalttätigen Alltag der Stadt gezogen.

Der Film ist anachronistisch aufgebaut. Zum einen sehen wir die Geschichte des Ulises in New York, der nach der Flucht schwarzarbeitet, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Zum anderen sehen wir immer wieder seine Erinnerungen an den Ulises aus Mexiko, seine Freunde und seine Vergangenheit. Dabei geht es in dem Film primär um Identität: Wer bin ich, wo gehöre ich hin und was tue ich, wenn sich meine Umwelt ändert und keinen Platz mehr für meine eigene Identität hat? Und dann wäre da noch die letzte Szene, sicher eine der stärksten letzten Szenen der vergangenen Jahre, welche die Zuschauer*innen mit Gänsehaut zurücklässt. All das macht aus I’m No Longer Here ein Filmerlebnis, mit dem man sich auch danach noch lange beschäftigt.